Profilmessfahrten mit Straßenbahn in Jena

Jena nimmt aufgrund seiner spezifischen Lage im Saaletal seit jeher eine klimatische Sonderrolle nicht nur in Thüringen ein. Das lokale Klima wurde bereits vor Jahrzehnten ausgiebig untersucht und dokumentiert. So errichte bereits Goethe hier vor mehr als 200 Jahren eine erste Klimamessstation am heutigen Schillergässchen. In den Jahren zwischen 1995 und 2010 wurden im Rahmen von Luftreinhalteplänen und stadtklimatischen Untersuchungen eine Reihe von Klimamessungen und Klimagutachten erstellt. In diesem Zusammenhang wurden während windschwacher, strahlungsreicher sommerlicher Hochdruckwetterlagen, sogenannter autochthoner Wetterlagen, entlang zuvor definierter Routen thermische Profilmessfahrten mit instrumentierten Messfahrzeugen durchgeführt. Hieran beteiligten sich die TLUG Jena, der DWD und auch wir waren mit einem Messfahrzeug in Jena unterwegs.

P1060422Durchgeführt wurden damals Messfahrten vor allem nach Sonnenuntergang, um Mitternacht und kurz vor Sonnenaufgang. Im Ergebnis liefern die Kfz-Profilmess-fahrten ein Horizontalprofil der Luft-temperatur für die betreffende Strecke. Durch räumliche Interpolation anhand geographischer Standortparameter wie Höhenlage, Hangneigung und Real-nutzungskartierungen konnten aus diesen Profilen Karten für das gesamte Stadtgebiet abgeleitet werden, aus denen Überwärmungsgebiete und Kaltluftsammel- bzw. –abfluss-gebiete auf einen Blick identifiziert werden können.Abendfahrt2 Abendfahrt2_reg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Die inzwischen an der TLUG Jena gegründete Thrüringer Klimaagentur wurde das Thema 2015 erneut aufgegriffen um weitergehende Aussagen im Zusammenhang mit notwendigen Klimawandel-Anpassungsstrategien machen zu können. Im Rahmen einer Bieterwettbewerbs konnten wir uns Ende 2015 mit einem Angebot beteiligen, welches 2016 realisiert werden konnte. Nach den Tests im Sommer 2016 arbeitet das System inzwischen im „Regelbetrieb“.

utk_2Innerhalb der Untersuchungen liegt besonderes Augenmerk auf drei so genannten „rollenden Wetterstationen“. Hierbei handelt es sich um 2 mit meteorologischer Sensorik ausgestattete Straßenbahnen und einen Bus, die das Stadtklima genau kartieren. Über oberhalb der Straßenbahn installierte Sensoren werden die Parameter Lufttemperatur und relative Luftfeuchte kontinuierlich gemessen. Auf diese Weise werden Klimadaten für das gesamte Streckennetz entsprechend der VDI-Richtlinie 3785 gesammelt. Daraus kann zum Beispiel ein relativ genaues Abbild der räumlichen und zeitlichen Variabilität des städtischen Temperaturfeldes gewonnen werden.

Jede Messstation verfügt dazu über einen GPS Sensor, der die genauen Standortdaten incl. der Höhe ermittelt und in den Datensatz einpflegt. Die Daten werden von einem Datenerfassungsmodul gesammelt und incl. von technischen Metadaten wie Akkuspannung, Ladezyklen und GSM-Empfangsqualität aller ca. 2 Stunden an einen zentralen Datenserver übertragen, so dass quasi in Realtime Einschätzungen zur meteorologischen Situation aber vor allem zur Qualität der gewonnenen Messdaten vorgenommen werden können. Aufgrund der solargestützten Akkuversorgung ist ein wartungsfreier Betrieb über das ganze Jahr möglich, ohne in die Elektrik des Trägerfahrzeuges eingreifen zu müssen.

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Schließlich ist geplant, die per Straßenbahn gesammelten Daten für den Antrieb eines Wärmehaushaltsmodells zu nutzen, um daraus mit Blick auf den Klimawandel z.B. weiter-führende Informationen zur Wärmebelastung für unterschiedliche Wohnquartiere aber auch Altersgruppen abzuleiten. Zum anderen ist angedacht, vorgenannte Daten für Simulationen mit einem regionalen Klimamodell zu nutzen.

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